Ist unsere Welt nur simuliert?

Wenn wir diese Frage bejahen würden, müssten wir einer weiteren Tatsache ins Auge sehen: Wir sind dementsprechend auch simuliert! Aber gehen wir Schritt für Schritt vor.

Zuerst möchte ich den Leser mit jemandem bekannt machen: Nick Bostrom, Direktor des "Future of Humanity Institute" an der Universität Oxford. Seine Forschungsfelder umfassen Wissenschaftstheorie, Grundlagen von Wahrscheinlichkeitstheorien, Ethik, sowie neu entstehende Technologien. Bostrom hat eine sehr interessante Abhandlung verfasst, die ich nun in groben Zügen erläutern will.

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The Simulation Argument

Bostrom Aufsatz beschäftigt sich mit der Möglichkeit(!), dass wir in einer Computer-Simulations leben, bzw. eine sind. Sofort wird man bei dieser Aussage an Filme wie "Matrix", "Vanilla Sky" oder auch an Bücher von Philip K. Dick denken - wir bewegen uns also in die richtige Richtung!

Bostrom Voraussetzung für seine Theorie ist einerseits, dass einer der Gründe unseres "Stolzes" der technologische Fortschritt ist, andererseits aber die momentan fortschrittlichsten Technologien äußerst eingeschränkt und primitiv sind - im Vergleich zu den Technolgien die unsere Nachkommen besitzen werden. Hiermit kommen wir zur ersten These Bostroms:
Zukünftige Zivilisationen werden über genügend Rechnerleistungen sowie Programmierkenntnisse verfügen, um in der Lage zu sein, Simulationen unserer Vorfahren bzw. einer zeitlich früheren Welt ("ancestor simulations" im Orig.) zu initialisieren. Diese Simulationen werden äußerst detailliert sein, um genau zu sein so detailliert, dass der simulierte Geist sich selbst bewusst ist, d.h. über ein Bewusstsein verfügt und auf die selben Erfahrungen wie wir zurückgreifen bzw. diese noch machen kann. Es besteht eine äußerst realistische, aber virtuelle Umgebung, wo aber die "Personen", welche in dieser Welt leben, selbst Simulationen sind.
Schlussfolgerung des "Simulation Argument" ist, dass zumindest eine der folgenden drei Möglichkeiten richtig ist:
  1. Praktisch alle Zivilisationen sterben aus, bevor sie über die für die Simulation notwendigen technischen Fähigkeiten verfügen.
  2. Der Anteil an technisch fähigen Zivilisationen, welche ein Interesse an einer solchen Simulation hätten, liegt bei praktisch null.
  3. Wir leben höchstwahrscheinlich in einer Computer-Simulation.
Ist nun die erste Möglichkeit falsch, dann ist gesichert, dass eine signifikante Anzahl an Zivilisationen die erforderlichen technischen Fähigkeit zur Bildung einer solchen Simulation erreichen werden. Wenn auch die zweite Möglichkeit falsch ist, impliziert dies, dass eine signifikante Anzahl an Zivilisationen derartige Simulationen ablaufen lassen.
Sind also Möglichkeit eins und zwei falsch bedeutet dies ein Bestehen von "simuliertem Bewusstsein", welches unserem Bewusstsein, also wie wir uns und die Welt erleben, gleicht. Wenn man nun weiter davon ausgeht, dass diese Zivilisationen über enorme technische Möglichkeiten verfügen, können sie auch mehr als eine Simulation, viel wahrscheinlicher sogar Milliarden von Simulationen ablaufen lassen, wobei jede einzelne davon soviel Personen enthalten kann, wie jemals existierten. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Simulation sind, ist also wesentlich höher, als dass wir keine sind - da Möglichkeit eins und zwei falsch sind, muss Möglichkeit drei richtig sein!

Möglichkeit drei wäre philosophisch die faszinierenste. Wenn wir wirklich in einer Computer-Simulation, welche von einer fortschrittlichen Zivilisation erschaffen wurde, "leben" würden, hätten Wissenschaftler und Forscher wie z.B. Kopernikus und Darwin nicht die Abläufe und Gesetze der Realität sondern die einer simulierten Welt entdeckt. Diese Gesetze und Abläufe könnten zwar dieselben wie in der fundamentalen Realität - also der Realität der Simulatoren - sein, wobei natürlich auch die Simulatoren selbst nur eine Simulation einer noch höher entwickelten Zivilisation sein könnten.
Was würde diese Erkenntnis - nur eine Simulation zu sein - für uns bedeuten bzw. was würde passieren? Selbst wenn wir in einer Simulation leben würden, hätten wir nie eine wirkliche Bestätigung. Wirkliche Bestätigung würden wir nur haben, wenn die Simulatoren uns wissen lassen würden, dass wir in einer Simulation leben. Haben die Simulatoren allerdings kein Interesse daran - nun, wir würden es nie erfahren. Einzig wenn unsere Zivilisation selbst kurz davor wäre, eine derartige Simulation in Gang zu setzen, könnten wir mit großer Sicherheit sagen, dass die ersten beiden Möglichkeiten falsch sind und somit die dritte stimmen muss.
"The Simulation Argument" sagt nicht, dass wir in einer Computer-Simulation leben, nur dass mindestens eine der drei oben genannten Möglichkeiten richtig ist - wir wissen allerdings nicht, welche!
http://www.simulation-argument.com/computer.pdf
http://www.simulation-argument.com
http://www.nickbostrom.com

"The Simulation Argument" und "Simulacra"

Versuchen wir nun Bostroms Theorie und den Roman "Simulacra" von PKD miteinander zu verbinden. Die Gesellschaft im Roman ist höchst technisiert, der beste Beweis für ihre technologischen Möglichkeiten ist wohl der "von-Lessinger-Zeitreiseapparat". Es ist also höchst wahrscheinlich, dass diese Zivilisation auch die Möglichkeit hätte, eine wie weiter oben angesprochene Simulation ablaufen zu lassen. Was ein fundierter Beweis wäre, dass es auch andere Zivilisationen gibt, die dies bereits getan haben. Ebenso hat die Zivilisation im Roman augenscheinlich durchaus Interesse eine derartige Simulation zu starten. Möglichkeit eins und zwei wären also falsch, womit Möglichkeit drei richtig ist, was bedeuten würde, dass die Romanwelt eine simulierte ist. Eine interessante Stelle im Buch ist außerdem jene, in der der Pianist Richard Kongrosian die ganze Welt in sich "aufsaugt":

Wenn diese Prozedur anhält, werde ich bald das ganze Universum umhüllen, und nur noch meine Organe werden außen sein. (Dick 1964: 236)

Womit haben es wir hier zu tun? Einer Überfunktion der psychokinetischen Kräfte Kongrosians? Wir wissen es nicht. Nicht mal Kongrosian selbst weiß es:

Etwas Schreckliches geschieht mit mir, [...] ich kann nicht mehr zwischen mir und meiner Umgebung unterscheiden. (Dick 1964: 235)

Je komplizierter ein Computer-Programm ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es Fehler enthält. Im Film "Matrix" manifestieren sich diese Fehler als "Deja Vus", z.B. in der Szene, in der Neo eine schwarze Katze sieht und das Gefühl hat, genau die gleiche Situation schon einmal erlebt zu haben. (vgl. Wachowski 1999). Könnte es also nicht sein, dass auch Kongrosians "Zustand" eigentlich nur ein Fehler im Simulations-Programm ist?
Philip K. Dick wird uns auf diese Fragen leider keine Antwort mehr geben können; eine derartige Rezeption würde jedoch eine ganz neue Betrachtungsweise des Romans ermöglichen und dem Titel "Simulacra" einen viel tieferen Sinn geben, als ursprünglich angenommen....

Bibliographie:

Dick, Philip Kindred (1964): Simulacra, München: Heyne 2005.
Wachowski, Andy/Wachowski, Larry (Regie) (1999): Matrix, DVD, Warner Home Video 2005.
http://www.simulation-argument.com/computer.pdf
abgefragt am 13.04. 2009
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Die simulierte Welt des Philip K. Dick

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Zuletzt aktualisiert: 2. Jul, 10:15

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