Medien und Wirklichkeit 2

"Oder man schafft einen anderen Raum, einen anderen wirklichen Raum, der so vollkommen, so sorgfältig, so wohlgeordnet ist wie der unsrige ungeordnet, missraten und wirr ist.“ Michel Foucault

Wir haben in der letzen Zeit viele verschiedene Thesen zur Erfahrung, Wahrnehmung und Konstruktion von Medien gehört, einige sehr theoretisch, andere sehr alt, mache zeitgenössisch und modern. Was hat das alles mit mir zu tun und wie weit ist die Welt von „Simulacra“ noch von mir entfernt? Wann komme ich mit Simulation in Berührung, berührt sie mich überhaupt oder wie viel bemerke davon in „meiner Realität“. Begriffe jonglieren.

Schnell noch mal bei Wikipedia nachgeschaut - was war das noch mal: Als Simulacrum oder Simulakrum (Plural: Simulacra oder Simulakren) bezeichnet man ein wirkliches oder vorgestelltes Ding, das etwas oder jemand anderem verwandt ist oder ihm ähnlich ist. Der lateinische Ausdruck simulacrum leitet sich über simulo („Bild, Abbild, Spiegelbild, Traumbild, Götzenbild, Trugbild“) von simul („ähnlich, gleich“) ab. Die Bedeutung kann abwertend gemeint sein im Sinne eines trügerischen Scheins, sie kann aber auch positiv verstanden werden im Rahmen eines Konzepts produktiver Phantasie.

Moment, bewege ich mich nicht auch gerade in einer simulierten Welt? Ich bewege mich quasi virtuell in einem Lexikon, das ich ohne Hardware gar nicht bildlich machen könnt. Ich bin jetzt gerade in Berührung mit einer nicht enden Masse von Daten außer ich ziehe den Stecker: Umcodierung der Welt nach Flusser- was hab ich davon?

„Diese stark verkürzte Darstellung des modernen Umkodierens von Buchstaben in Zahlen und der daraus folgenden Veränderung des prozessuellen, historischen und aufklärerischen Bewustseins ist natürlich völlig unzureichend, um das gegenwärtige Entstehen alternativer Welten aus dem Computer wirklich zu begreifen.“

Alternative Welten, aus dem Computer, damit ist wahrscheinlich nicht mein Online-Profil gemeint- oder doch?

Die Menschen in "Simulacra" haben einen Teil ihrer Selbstbestimmung an Maschinen abgegeben, ihre Emotionen werden durch Androiden (ja, Androiden habe ich bereits gegooglet) bestimmt und diese machen glücklich oder suggerieren ihnen was Glück bedeutet.

Das Internet als Medium kommt in "Simulacra" nicht vor, trotzdem kann ich die Wirkungsweise hier als Beispiel heranziehen. Die bereits im Blog gestellte Frage, ob Medien Wirklichkeit konstruieren kann auch an dem bereits genannten Beispiel sozialer Plattformen sofort beantworten:
Ja, Facebook konstruiert zumindest einen Raum, den es vorher nicht gegeben hat, einen Raum, in der das Austauschen von Wissen über den abgelegenen Strand, die bestes Party-Fotos oder eine ganz seltene Aufnahme eines Rolling Stone Albums eine Realität abbildet, die vorher in dieser Form der Sichtbarmachung nicht möglich war.
Stecker wieder rein.
Der soziale Raum, der mir durchs Internet geschaffen wird und den ich durchaus mit Emotionen besetze, formatiert sich durch die Bewertung und den Input anderer- und der Gleichzeitigen Anwendung von Technologie.
Technik verändert die Sicht des Menschen auf die Welt, die immer mehr zum Technotop wird. Was und wie wir wahrnehmen, hängt mit unserer Gewöhnung an eine technisch bedingte und gestaltete Welt untrennbar zusammen. Beispiele dafür lassen sich im Alltag finden: wir sind bereits jeden Tag mit mehr oder weniger intelligenten Maschinen umgeben.

Es ist für uns normal, dass wir mit Anrufbeantwortern reden oder mit einer Auskunft, die vom Computer kommt oder mit einer Computerstimme spricht; wir können z. B. auf diese Weise auch Geld von der Bank abheben usw. Ein Medium macht mir also die Realität begreifbar, aber konstituiert das Aussprechen meines Kontostandes Wirklichkeit?

Zurück zum Internet. Unsere neue Realität ist Körperlos. Ich bilde ihn unter Umständen ständig ab, aber es ist nicht mein eigener. Die Grenzen verschwimmen immer mehr zwischen Mensch und Maschine (auch das wurde ja im Blog bereits angesprochen), zwischen Realität und Virtualität, natürlichen und künstlichen Systeme.
In "Simulacra" ersetzt z.B. eine Maschine, der Papoola, einen menschlichen Körper, ich würde sogar so weit gehen und sagen sie ersetzen einen Freund, von dem man gewöhnt ist, Unterstützung zu bekommen. Sie erzählen einem genau, was man hören möchte, sind zuvorkommen, freundlich und loyal. Und sie sind eine Simulation. Als Konzept dahinter steht die Durchdringung des Konzepts des Menschlichen, die Durchdringung des Organischen mit technischen Prothesen.

„So gehen viele Informatiker, Kognitionswissenschaftler, Systemtheoretiker und Biologen davon aus, das Organismen und Artefakte gleichermaßen als informationsverarbeitende Systeme beschrieben werden können und dass somit der Körper zu einer vernachlässigenden, potenziell überwindbaren Instanz werde.“

Ich für mich kann also unterscheiden zwischen dem Abbild meiner Selbst, wenn ich mir einen putzigen Namen gebe und mich verjüngere, verschönere und schlauer mache. Die Annäherung an das Ideal-Ich wird mir im Internet gelingen, wenn ich es denn will. Da liegt der Unterschied zu mir und den Bee´s. Zumindest in meiner Wirklichkeit bin ich selbstbestimmt und weiß Technologien zu benutzen, dass es mir und meiner Identität nicht schadet. Wenn ich eine Prothese brauch, habe ich sie in Reichweite- Stecker rein.

Das Bewusstsein dafür habe ich aus einer veränderten Wirklichkeit entwickelt, in der tatsächlich alles kalkulierbar ist und in der ich und meine Emotionen mit einem Nennwert beziffert werden kann.

Ich habe keinen Körper. Ich bin transzendent. Ich bin Richard Kongrosian im World Wide Web.


www.wikipedia.at

Becker, Barbara: Philosophie und Medienwissenschaft im Dialog. In: Münke, S.; Roesler, A.; Sandbothe, M. (Hg.): Was ist Medienphilosophie? Hamburg: 2003, S.91-106

Flusser , Vilem: Digitaler Schein. In: Rötzer, Florian (Hg.): Digitaler Schein. Ästhetik der neuen Medien. Frankfurt: 1999, s.147-159
valli.werner - 2. Jul, 10:15

ja, nochmal so ein "down-to- "earth""- Eintrag ist ein guter Abschluss, oder?

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Die simulierte Welt des Philip K. Dick

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Zuletzt aktualisiert: 2. Jul, 10:15

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